Bacchetta ist die italienische Bezeichnung für Stock und ist der Namensgeber für meine Interpretation eines Stadtrades. Das Rad ist am letzten Höhepunkt meiner Retro-Phase entstanden und greift einige technischen Sackgassen der Fahrradgeschichte auf, die mich schon seit langen wegen ihrer technischen Konstruktion oder optischen Gefälligkeit beschäftigen.
Das ist mein vierter für mich gebauter Rahmen.
Als Projektziel habe ich mir ein Stadtrad gesetzt, also etwas für den weiteren Umkreis meines Wohnbereichs, um abends auf ein Bier, zum Schwimmen an die Alte Donau, zum Bäcker oder um auch damit in mein Wiener Büro fahren zu können.
Das Rad ist auch eine Resteverwertung von übrig gebliebenen Rohren (Reynolds 725), Muffen und Anbauteilen. Für den Rahmen musste ich nur eine Tretlagermuffe und 2 Sitzstreben nachkaufen. Die Ausfaller (Surly Bahnausfaller) sind eine Spende vom Ulrich Vogel. Das Rad soll einen geraden Lenker, Schutzbleche, Dynamolicht und mit einer 3Gang-Getriebenabe bekommen.
Projektbeginn war im April 2013. Und ich habe hier das erste Mal, zumindest teilweise, auf Muffen verzichtet und anstatt einer Sitzrohrmuffe ein Bi-Laminat ausgeführt.
Die Schaltung
Die Idee mit der Schaltung beruht auf der aller ersten Schaltung von Campagnolo aus den späten 1930er Jahren, die Cambio Corsa bzw. ihre Weiterentwicklung die Paris-Roubaix. Ein Meister mit dem Umgang dieser Schaltung war Gino Bartali. Das Schaltprinzip beruht darauf, dass mit einem verlängerten Schnellspannerhebel, die Nabe gelöst und danach mit einem 2. Hebel die Kette auf ein benachbartes Ritzel geworfen wurde. Zum Schluss wurde der Schnellspanner wieder geschlossen.

Am Anfang war die Idee, so eine Schaltung selbst zu bauen. Dazu waren der Georg Blaschke und ich schon am Grübeln, wie so etwas umsetzbar wäre. Der Georg ist ja auch schaltungstechnisch aus seiner Vorzeit bei SRAM vorbelastet und für technische Fragestellungen immer zu haben.
Im Zuge der Recherche für die Schaltung bin ich auf den Sandro Montanari in Maranello gestossen. Der Sandro ist Rahmenbauer und macht in erster Linie Titan- u. Stahlräder. An einem seiner Räder habe ich diese Gestängeschaltung gesehen und dann mit ihm Kontakt aufgenommen. Zum Glück war sein Englisch deutlich besser als mein Italienisch. Nach einigem Hinundher hab ich mich dann entschlossen, seine Gestängeschaltung für mein Projekt zu übernehmen. Die Gestängeschaltung baut er für 3Gang-Getriebenaben von Sturmey-Archer und für die 3Gang-Version der Shimano Nexus. Ich hab mich für die SA-Nabe entschieden, weil sie hübscher poliert ist als die Nexus.
Zum Schalten muss man das Gestänge zur Seite bewegen, dabei springt die Schaltung durch Federkraft in den mittleren Gang. Anschließend wird durch hochziehen bzw. runterdrücken in den leichten oder schweren Gang gewechselt und abschließend wieder arretiert. Meine Bezeichnung für 3Gang-Singlespeeder kommt von meiner EInschätzung, dass ich einen Gang nur stehend wechseln könnte. Mittlerweile weiß ich, dass ich Gänge auch während des Fahrens wechseln kann, wobei hier wie auch damals vor 70 Jahren gilt: Du brauchst Voraussicht und Zeit, um zu schalten.
Bilder vom Löten hab ich diesesmal wenige gemacht. Die Sequenz, in der ich den Rahmen zusammen löte habe ich ja schon mal ziemlich ausführlich bei meinem Randonneur beschrieben.
Ein paar Bilder gibts trotzdem:
Steuerrohr-Muffen (wie immer bei mir mit Stahlstiften in Position gehalten):
Der Rahmen hat wiederum einen innenverlegten Bremszug und ebenso eine innenverlegte elektrische Verkabelung:
Hier sieht man auch schön, den vorderen Teil des vorderen Rahmendreiecks. Sitzrohr und Tretlagermuffe werden ebenso extra verlötet und erst ganz zum Schluss finden beide Teile zum vorderen Rahmendreieick zusammen
Hier noch die Sequenz der Entstehung meines ersten Bilaminats am Sitzrohr:
Beim Löten:
Nach dem Löten:
Nach dem Spülen:
Nach dem Feilen:

Hinteransicht:

Details der Befestigung für den Kettenkasten:

Schutzbleche
Ein Stadtrad braucht Schutzbleche und einen Kettenkasten und weils hier ein Retrorad werden soll, kommen welche aus Holz dran. Die Schutzbleche oder besser gesagt Schmutzbretter hat der Georg Schein aus Leipzig für mich gemacht.
Hergestellt werden sie aus mehreren Schichten Buchen- u. Nussholz



Die Laufräder
Auch hier habe ich mich auf etwas aus der Vergangenheit erinnert, nämlich die Wurzelspeichung. Wurzelspeichungen waren in den frühen 1990ern bei den Mountainbikern sehr beliebt, da man so mehr Seitensteifigkeit in die Laufräder brachte, allerdings werden dabei die Speichen ziemlich belastet und reißen gerne, nur kann man sie durch die Art der Einspeichung blöderweise nicht einfach austauschen. Das ganze hat also dazu geführt, dass man die Wurzelspeichung ganz fix wieder aufgegeben hat.
Bilder vom fertig lackierten Rahmen: